Ein Bericht von Simon Voigt und Felix Kremser

Unter dem Motto „Zieht euch warm an! Null Toleranz für Nazis – Fight back!“ protestierten gestern, 10. Dezember, 860 Menschen gegen den zunehmenden Rechtsextremismus in Greifswald und Mecklenburg-Vorpommern. Zu der Demonstration hatten sowohl die antifaschistischen Bündnisse „Greifswald Nazifrei“, „Nazis wegbassen“ und die Antifa-Gruppe „Defiant“ als auch die Greifswalder Sektionen „H.I.G.H.“ und „M.u.S.i.K.“ der hedonistischen Internationalen aufgerufen. Unterstützung erhielt die Demonstration im Vorfeld ebenfalls vom Studierendenparlament und der Vollversammlung der Studierendenschaft der Universität Greifswald. 

Nachdem weitere Teilnehmer aus Berlin, Bremen, Hamburg, Rostock und Stralsund sich der Demonstration angeschlossen hatten, ging es um 13.30 Uhr vom Südbahnhof aus in Richtung Innenstadt. Während des Protestzugs wurden an wichtigen Orten, wie der Kiste in der Makarenkostraße, immer wieder Kundgebungen abgehalten, in denen die Veranstalter über Gewalttaten, Orte und Mitglieder der rechtsextremen Szene aufklärten. Gegen 17 Uhr löste sich die Demonstration dann am Gedenkstein von Eckard Rütz an der Mensa am Schießwall nach einer abschließenden Kundgebung auf.

Das Motto der Demonstration „Fight Back!“ und auch das umstrittene Mobilisierungsvideo ließen im Vorfeld nicht unbedingt eine von Grund auf friedliche und gewaltfreie Veranstaltung erwarten, sodass auch die Polizei mit einem Aufgebot von 600 Einsatzkräften die Demonstration begleitete. Wie bereits auf vergangenen Demonstrationen und Veranstaltungen mit Polizeibeteiligung, beobachtete auch diesmal wieder der Arbeitskreis Kritischer JuristInnen (AKJ), gekleidet in pinkfarbene Westen, das Verhalten der Polizei.

Vorwiegend friedliche Demonstration

Demonstrationsroute (J. Wenzel, übernommen aus der Ostsee Zeitung, keine CC-Lizenz)

Demonstrationsroute (J. Wenzel, übernommen aus der Ostsee Zeitung, keine CC-Lizenz)

Alles in allem bewegte sich der Demonstrationszug zügig und friedlich voran. Angesichts vereinzelter Böllerwürfe, kleiner Zusammenstöße mit am Rande der Demonstration befindlichen Neonazis und der Vermummung der Teilnehmer sah sich die Polizei jedoch einige Male gezwungen, den Zug zu stoppen. Bei einem halbstündigen Halt auf der Anklamer Straße erhöhte die Polizei, laut AKJ-Beobachtungsbericht, ihre Einsatzwagenstärke von sechs auf 30 Fahrzeuge und verstärkte somit die „Anspannung in unnötiger Weise“. Zusätzlich dazu wurden zwei Wasserwerfer und ein Hubschruber herbeibeordert.

Obwohl die Veranstalter über Lautsprecheransagen immer wieder versuchten, sowohl die Teilnehmer von provozierendem Verhalten abzuhalten als auch die Einsatzkräfte der Polizei zu beschwichtigen, blieb die Stimmung, trotz anfänglicher Gelassenheit, angespannt. Besonders die Verstöße der Demonstranten gegen die Pyrotechnik- und Vermummungsauflagen sorgte bei Temperaturen um winterliche 4° Celsius für ständige Reibung. Staats- und polizeifeindliche Slogans sowie, nach Angaben einiger Demonstranten, vereinzelte Beleidigungen seitens der Polizei ohne anschließende Preisgabe der Dienstnummer, heizten die Stimmung zusätzlich weiter auf.

Sechs Verletzte Polizeibeamte und vier Festnahmen

Laut offizieller Pressemitteilung der Polizei erlitten sechs Beamte aufgrund des Einsatzes von Knall- und Rauchkörpern leichte Verletzungen. Weiterhin kam es im Verlauf der Demonstration zu vier Festnahmen und mehreren Anzeigen wegen Körperverletzung, Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Nach Aufnahme der Personalien und Anzeigen wurden die Personen noch während der Demonstration wieder aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen.

Der Bunte Block

Der Bunte Block

In einer Pressemitteilung zeigte die Antifa-Gruppe „Defiant“ indes kein Verständnis für die Vorgehensweise der Polizei. Die polizeilichen Gewahrsamnahmen seien, „unter dem Vorwand gegen das Vermummungsverbot vorgehen zu wollen“, eine „völlig unnötige Provokation“ gewesen, die nur „unnötige Rangeleien“ hervorgerufen hätte. Laut Claudia, Mitglied von „Defiant“, habe der Einsatz der Pyrotechnik lediglich gezeigt, wie laut, bunt und entschlossen der Protest sei. Auch der AKJ kritisierte die „hohe Gefahr von Eskalation“, die das Herausgreifen einzelner Teilnehmer bärge und stufte die Maßnahmen der Polizei besonders vor dem Hintergrund der winterlichen Temperaturen als unangemessen ein. Axel Falkenberg, Sprecher der Polizeiinspektion Anklam, verteidigte gegenüber dem webMoritz hingegen das Eingreifen der Polizei und sah die Provokationen von den Demonstrierenden ausgehen. „Wer Ursachen setzt und Grundlagen schafft, muss sich über die Konsequenzen nicht wundern“, so sein nüchternes Fazit der Polizeiaktionen.

Lob für gute Kooperation seitens der Polizei

Dennoch zeigte sich Falkenberg insgesamt zufrieden über den Ablauf der Demonstration und bedankte sich für die gute Kooperation und Kommunikation mit den Organisatoren. Auch bei den Veranstaltern wurde die Protestaktion positiv gewertet. „Alles in allem erlebte die Stadt Greifswald heute eine laute und bunte Demonstration, die entschlossen gegen Rassismus, menschenverachtende Ideologien und rechte Gewalt protestierte“, resümiert die Antifa in ihrer Pressemitteilung.

Ein Plakat vom GrIStuF e.V.

Ein Plakat vom GrIStuF e.V.

Doch schreckten die Parolen der Antifa auch einige Demonstranten ab. Dem Aufruf der Greifswalder Sektion der Hedonistischen Internationale gefolgt, formierte sich am Schluss des Demonstrationszuges der Bunte Block, wo sich all die versammeln konnten, denen es an Identifikation mit den radikaleren Demonstranten fehlte. Hierzu zählten auch der GriStuF e.V., Mitglieder der Piratenpartei und einige grüne Kreistagsabgeordnete, welche als Privatpersonen auftraten. A.ll C.olours A.re B.eautiful war hier die Losung und zur angemessenen Beschallung war ein mobiles Sound-System dabei, eine neue Variante des bereits demo- und partybekannten kleinen Rabauken. Dieser Teil des Demonstrationszuges trat aber angesichts des lauteren und vor allem größeren Abschnittes, der ihm vorausging, in den Hintergrund. Mitglieder von GriStuF e.V. wiesen mit einem Plakat auf einen völlig außer Acht gelassenen Aspekt hin, nämlich den Tag der Menschenrechte. Bei diesem wird jährlich am 10. Dezember, an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen vor 63 Jahren gedacht.

Bewegte Eindrücke der Demonstration haben unsere Kollegen von MoritzTV festgehalten.

Fotos: Simon Voigt

Grafik: J. Wenzel, Ostseezeitung.de, keine CC-Lizenz